Eine Reise im ersten Schweizer Hochgeschwindigkeitszug

Grosses Erbe

Gotthardzüge sind seit Jahrzehnten die legendärsten Fahrzeuge der SBB. Zur Landesausstellung 1939 präsentierten die SBB mit der Ae 8/14 die zu ihrer Zeit stärkste Lokomotive der Welt. Stattliche 34 Meter lang und 235 Tonnen schwer machten die "Landilok" auch in meinem Eisenbahnquartett zu einem echten Trumpf. Von der monströsen Lok wurden jedoch nur gerade 3 Stück hergestellt.

Dreizehnmal so viele PS wie ein Lamborghini Aventador: Eine Re 6/6 der SBB

Deutlich erfolgreicher war die Re 6/6, welche sich auch nach knapp 50 Jahren im Dienst nicht zu schade ist, Güterzüge durch den 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel zu ziehen.
Nicht so lange unterwegs blieben die 1961 gebauten Luxuszüge des TEE - einem bis heute unerreichten Qualitätsfahrzeug, ausschliesslich mit 1. Klasse Wagen, Speisewagen und der technischen Ausrüstung um unter 4 verschiedenen Stromsystemen zu verkehren.

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer will mit dem TEE 2.0 das ehemalige Erfolgsprojekt neu lancieren. Aber Andreas Scheuer will noch viel.

Der Trans Europe Express verkehrte zu seiner Blütezeit täglich zwischen Basel und Genua und machte dabei keinen Halt an der Grenze. Grenzkontrolle und die Umstellung aufs italienische System fand im fahrenden Zustand statt.

Geringer Fortschritt

Was nach keiner grossen Errungenschaft klingt, besonders in einem vernetzten Europa mit der EU und Schengen, ist heute alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Seit dem Niedergang der unrühmlichen Cisalpino-Neigezüge hält wieder jeder Zug in der Kleinstadt Chiasso für mindestens 7 Minuten und auch erst seit kurzer Zeit werden ab Zürich wieder andere Ziele in Italien direkt mit dem Zug erreicht als Milano. So wurde beispielsweise im Dezember 2020 die Direktverbindung nach Genua reaktiviert.

Dass noch Luft nach oben ist, zeigt bereits die Fahrdauer. Die Reisezeit mit dem Direktzug dauert im Jahr 2021 5 Stunden und 16 Minuten. Das sind im Vergleich zum Jahr 1979, als der TEE noch am Chileli von Wassen vorbei fuhr, in Milano Centrale die Richtung wechselte und jeder Pass der Reisenden beim Grenzübertritt kontrolliert werden musste dann doch eher bescheidene 17 Minuten weniger Reisezeit. Dennoch war die direkte Verbindung und die Stadt Genua Grund genug, sich ein Ticket zu kaufen.

Der Komfort stimmt

Die neuen Gotthardzüge "Giruno" kommen im klassischen SBB-Standarddesign daher. Weisse Farbe, Rote Türen und Schwarze Sitze, wie man sie von Romanshorn bis Genf antreffen kann. Neben der schnittigen Form ist das grosse Kantonswappen, welches im Speisewagen hängt, das einzig Besondere, was einem in diesem Zug erwartet.

Im Restaurant hängt jeweils ein Schweizerwappen und eines der 26 Kantonswappen

Die Sitze und der Fahrkomfort an sich ist jedoch durchaus überzeugend. Der Zug hat kürzere Wagen als üblich, weshalb die Raumaufteilung weniger erschlagend wirkt als sonst. Zudem sind die Sitze im Vergleich zu anderen Zügen sehr bequem und das Internet-Portal mit einer eigenen Videothek sorgt für gute Unterhaltung während der Fahrt. Ebenfalls nicht mehr selbstverständlich ist die Tatsache, dass alle Sitze an einem Fenster sind und man nicht wie beispielsweise im deutschen ICE die Sitze teilweise einfach planlos an eine Wand hinstellt.

So kann man auch nicht verspätet sein

Ausbaufähig ist jedoch der Fahrplan. Schon kurz nach Zürich musste der Internationale Fernverkehr auf der eingleisigen Strecke Zürich-Zug auf eine entgegenkommende S-Bahn warten, bis die Weiterfahrt möglich war.

Wirklich schnell vorwärts ging es nur im Gotthardtunnel, wo der Giruno zwar nicht die möglichen 250 km/h erreichte, aber immerhin deutlich zügiger vorankam, als die vierrädrige Alternative auf der A2.

Wegen schlechter Verfügbarkeit von freien Trassen verbummelt der Zug zwischen Lugano und dem Mailänder Vorbahnhof Rogoredo sicherlich eine Stunde Fahrzeit. In der momentanen Zeit, wo jeder Zug von Zürich nach Milano eine ziemlich lachhafte Prozedur von Coronakontrollen am Bahnhof Como durchmachen muss, während die internationale-S-Bahn auf dem Nachbargleis den Zug ohne Kontrollen überholt, ist das aber gar nicht so ein Problem.

Pünktlich ging es in Zürich los, Pünktlich kamen wir in Genua an. Dazwischen waren wir 30 Minuten verspätet

Mit 30 Minuten Verspätung ging es in Como weiter, nur 4 Minuten verspätet erreichten wir Milano. Dieselbe Verspätung blieb uns bis Genua. Trotz der angenehmen Reise im Zug wäre eine kürzere Reisezeit wünschenswert. Sonst könnte man ja auch wieder am Chileli von Wassen vorbeifahren.