Eine Reise auf den letzten freien PlÀtzen im Zug

Hier gehen die Uhren – aber anders

Polnische SchnellzĂŒge sind in den Sommerferien sehr beliebt. Darum war es eigentlich auch ein kapitaler Fehler, dass wir so lange mit unserer Reservation fĂŒr den Intercity von Danzig nach Poznan zuwarteten, von wo aus unsere Reise nach Berlin weitergehen sollte.

Als wir zu viert am Danziger Vorortbahnhof Oliwa – dem Oerlikon der Dreistadt -  eine Reservation ergattern wollten, machte uns die beachtliche Schlange vor dem einzigen geöffneten Schalter wenig Hoffnung auf ein schönes Viererabteil mit Tisch fĂŒr die Fahrt am nĂ€chsten Mittag. Die Schalterdame schien zudem etwas gestresst zu sein, auch weil sich mehrmals jemand aus der Reihe nach vorne drĂ€ngte, um sein Ticket fĂŒr den unmittelbar abfahrenden Schnellzug nach Warschau zu buchen. Warum dies nicht online gemacht wurde, verstand ich nicht. Bei SimpleTrain wĂ€re die Buchung sicher deutlich weniger stressig und genau so möglich gewesen, wie am Schalter.

Wir hĂ€tten es ja wissen mĂŒssen

Kurz bevor wir am vordersten Platz der Reihe angelangt waren, war die Zeit soweit fortgeschritten, dass sie identisch war, wie die auf dem am Schalter angebrachten Schild mit den Öffnungszeiten, welche von 17:40 bis 18:10 eine Pause ankĂŒndete. Und bevor ich sagen konnte: «Die können doch nicht einfach», wurde der Rollladen auch schon runtergekurbelt und die Schalterdame machte sich auf in die wohlverdiente Pause. Die wartenden Personen am Bahnhof nahmen es mit einem Schmunzeln hin und warteten nochmals 30 Minuten lĂ€nger.

Uns war dieser Kundenservice zu blöd und wir versuchten unser GlĂŒck nach dem Abendessen. Dann sollte der Schalter immerhin bis abends um 01:30 geöffnet haben. Unterdessen war Schichtwechsel. Trotz fehlenden Polnisch- bzw. Englischkenntnissen wusste die neue Dame am Schalter, was wir fĂŒr eine Reservation wĂŒnschten, konnte uns aber nur mitteilen, dass unser Zug am nĂ€chsten Tag schon ausreserviert war.

Dann halt der Trick 77

Ein Blick in die Zugformationsdatenbank vagonweb.cz, auf welcher die Formation von ziemlich jedem wichtigen Zug einsehbar ist, machte uns dann aber Hoffnung. Unser Intercity nach Poznan sollte einen Speisewagen mitfĂŒhren. Auch wenn wir noch Essen vom Vorabend ĂŒbrighatten, schien dies die beste Option, die dreistĂŒndige Fahrt komfortabel zu gestalten.

Am nĂ€chsten Tag warteten wir zusammen mit den beeindruckenden Menschenmassen am viel zu kleinen Hauptbahnhof von Danzig auf die Einfahrt des Zuges. TatsĂ€chlich war der zweite Wagen des IC 5600 «HEWELIUSZ» wie geplant der nicht reservierbare Speisewagen. Gekonnt positionierte ich mich an der EingangstĂŒre und setzte mich an den ersten freien Tisch. Die Reise nach Poznan konnte losgehen, ich habe meinen Sitzplatz gefunden.

Wir haben immerhin etwas gegessen

Es zeigte sich schnell, dass wir bei weitem nicht die einzigen ohne Platzreservation waren, die sich fĂŒr diesen Trick entschieden. Viele Mitreisende wĂ€hlten die eher asoziale Variante und nippten drei Stunden lang an ihrem Mineralwasser, das ihnen die Berechtigung gab als zahlende Kundschaft den Speisewagenplatz zu besetzen.

Wir haben sogar FensterplÀtze gefunden

Das wĂ€re fĂŒr uns doch etwas zu unsympatisch gewesen. Ausserdem hatten wir Hunger und bestellten eine Portion Piroggen, obwohl wir davon eigentlich noch selber in unserem GepĂ€ck gehabt hĂ€tten. Anders als in der Schweiz ist die Kost im Speisewagen nicht nur in der Mikrowelle aufgewĂ€rmt, sondern die Piroggen, welche umgerechnet 4 Franken kosteten, wurden vorher noch frisch in Butter geschwenkt. Wenn man bedenkt, dass man in der Schweiz fĂŒr den Preis nicht mal eine Platzreservation erhalten wĂŒrde, war das Mittagessen definitiv keine schlechte Sache. Zudem konnten wir die ganzen drei Stunden bis nach Poznan zusammen im gleichen Abteil sitzen.

Im Anschlusszug nach Berlin hatten wir dann eine Reservierung, die auch hier bitter notwendig war. NĂ€chstes Mal werden wir mehr im Voraus planen und uns im Voraus fĂŒr die ganze Strecke einen Platz reservieren. Doch es ist nicht auszuschliessen, dass wir auch bei der nĂ€chsten Fahrt durch Polen dem Speisewagen wieder einen Besuch abstatten werden.