Abgesehen von der Anfahrt und der Rückfahrt starteten wir planlos: Wir hatten 12 Tage zur Erkundung von Albanien zur Verfügung, hatten für die Zeit im südlichen Balkan aber noch keine konkreten Pläne geschmiedet, sondern wollten uns vor Ort inspirieren und treiben lassen. So sind wir meist unterwegs, als moderne Landstreicher des 21. Jahrhunderts. Wir beide kannten Teile Albaniens bereits, hatten das Land aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten erlebt, Ramona das letzte Mal vor einem Jahr, Roger gar vor 11 Jahren. Folglich waren wir neugierig, neue Flecken des Landes zu entdecken und zu sehen, wie sich das Land in der Zwischenzeit verändert hatte.

Berg- und Wanderidylle in Nordalbanien

Unsere Reise startete am Auffahrtsdonnerstag. Um den Tourist*innenströmen ins Tessin aus dem Weg zu gehen, wählten wir die erste Verbindung von Bern via Zürich nach Mailand. Nach einer Mittagspause auf der Piazza Duca d’Aosta (gleich vor der Stazione Centrale Milano) stiegen wir in den letzten Zug der Hinreise, der uns von Mailand direkt nach Bari führte. Vor Bari kam kurz etwas Nervosität auf: Zwar waren wir bereits im Voraus von der Bahnbetreiberin FrecciaRossa per E-Mail informiert worden, dass der Zug aufgrund von Bauarbeiten mit Verspätung in Bari eintreffen wird. Dass die Fährgesellschaft Adria Ferries jedoch verlangt, dass man bis spätestens 150 Minuten vor Fährabfahrt eincheckt, realisierten wir erst im Zug. Da wir relativ knapp Zeit eingeplant hatten für den Transfer vom Bahnhof Bari Centrale bis zur Abfahrt der Fähre (ursprünglich 2 Stunden, mit der Verspätung nur noch 90 Minuten), stieg der Puls temporär etwas an. Kam dazu, dass wir im Internet kaum belastbare Informationen darüber fanden, wie man vom Bahnhof bis zum Hafen kommt und wo im weitläufigen Hafen (mehrere Kilometer zwischen Eingang und Docks) der Check-In liegt.

Hafenkarte von Bari

In der Praxis war dann einmal mehr nur halb so wild. Hier unsere Anleitung, wie man von Bari Centrale zum Hafen kommt:

  • Von Bari Centrale aus gibt es einen Stadtbus, der eine Haltestelle (“Ansa di Marisabella”) am Eingang des Hafens hat. Bustickets kauft man in Bari nicht im Bus, sondern in den Bars / im Kiosk. Folglich haben wir direkt am Bahnhof in einer Bar nach der Buslinie gefragt, die zum Hafen fährt (“Dove va l’autobus per il porto, per favore?”) und gleich zwei Tickets kaufen können.

  • Der Bus fährt vom Bahnhofsvorplatz bis in den Hafen und hält beim weissen Zelt, wo sich die online gebuchten Buchungsbestätigungen in Fährtickets umtauschen lassen. Dort war schnell klar: die 150 min Check-in-Pflicht vor Abfahrt scheint nur heisse Luft, der Check-in war auch 60 Minuten vor Abfahrt noch geöffnet und hat problemlos funktioniert. Die meisten italienischen und albanischen Fusspassagiere und Lastwagenchauffeure kamen gar erst jetzt gemächlich an. Abgesehen von uns war die einzige andere leicht gestresste Person ein anderer Schweizer, der offenbar auf dem gleichen Zug gewesen war und die gleiche Fähre gebucht hatte.

  • Vom Check-in fährt regelmässig ein kleiner Shuttlebus innerhalb des gesicherten Hafenareals bis zum Fährdock. Ca. 30 Minuten vor der geplanten Abfahrt waren wir schliesslich auf dem Schiff. Effektiv abgefahren ist das Schiff dann erst mit 2.5 Stunden Verspätung und hatte noch bis Minuten vor Abfahrtneue Fahrgäste aufgenommen, sodass wir einmal mehr lernen mussten: Man sollte sich nicht von Dingen stressen lassen, die schlussendlich ohnehin ganz anders kommen. Da bereits ein Voucher für ein Fläschli Wasser und ein salziger Snack auf dem Fährticket aufgedruckt ist, der bei Verspätung eingelöst werden kann, gehen wir davon aus, dass diese Verspätung eher zum Standard als zur Ausnahme gehört.

Traumaussichten am Komansee

Das Reiseziel rechtfertigt eine etwas längere Anfahrt. Albanien überrascht mit einer beeindruckenden naturräumlichen, historischen und kulinarischen Vielfalt. Von Alpregionen im Norden (Region um Valbona / Theth) wie auch Traumstränden im Süden (Region um Ksamil) bietet Albanien alles. Die wassergefluteten Bergtäler beim Komansee und im Shala River werden nicht zu Unrecht als “Thailand Europas” bezeichnet.

UNESCO-Stadt Berat mit osmanisch geprägter Architektur

Ein paar Reisetipps für Albanien

  • Die Bordgastronomie der Fähre orientiert sich nicht nach den Massstäben der italienischen oder albanischen Gastronomie - wir raten zum Mitbringen eigener Snacks für die Überfahrt.

  • Ebenfalls mitnehmen: genügend Bargeld, sowohl für die Fähre als auch in Albanien selbst. Kartenzahlung ist nur selten möglich. Aufgrund der Gebühren (ca. 7-9 Euro pro Bezug) lohnt es sich, gleich grössere Beträge abzuheben. Bankautomaten gibt es in den grösseren Städten und bezahlt werden kann meist mit Euro und dem albanischen Lek.

  • Die Tickets für die Stadtbusse werden unterwegs verkauft - dafür etwas Münzgeld dabeihaben.

  • Die Taxi-Angebote am Busterminal kosten oft ein x-facher Betrag des Busses - die Taxifahrer sind aber sehr hilfsbereit und zeigen dir, wann und wo der nächste Bus an die gewünschte Destination fährt.

  • Vegetarisch Essen: das Frühstück in den Gasthäusern ist meist von Haus aus vegetarisch. Wird man bekocht, wird in der Regel Fleisch aufgetischt. Nach einem kurzen Hinweis war es jedoch jeweils kein Problem, auch leckere vegetarische Köstlichkeiten zu bekommen.

Hie und da ein Kuriosum

Rückreise

Die Rückreise gestalteten wir ähnlich, nur fuhren wir von Durres aus nicht zurück nach Bari, sondern mit der Nachtfähre direkt nach Ancona. Vor dem Mittag kamen wir in Ancona an und fanden auch dort in der Nähe des Hafens einen Bus an den Bahnhof. Von Ancona aus führte die Verbindung via Bologna nach Milano, von dort aus schlussendlich via Chiasso und Zürich nach Bern. Trotz der vielen Umsteigeorte funktionierte alles wie geplant, kein Zug hatte Verspätung und wir kamen rund 32 Stunden nach Abfahrt in Tirana zuhause an.