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Wäre ich selbst gefahren, wären wir auch nicht viel langsamer gewesen
Marius Portmann 23.06.2022 Belgien
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Marius Portmann 23.06.2022 Belgien
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Eine Fahrt in die Veloländer schlechthin, ausser man will die Velos im Zug mitnehmen
Die Pandemie brachte einiges an Überraschungen für jeden von uns mit sich. Ich persönlich hätte gar nicht mehr damit gerechnet, dass man mich nach jahrelanger Absenz wieder regelmässig auf einem Velosattel finden würde. Doch spätestens als an der Velobörse Uster ein verzückendes, blaues Rennvelo darauf wartete, von mir abgeholt zu werden, wurde auch aus mir ein «Gümmeler».
So ging es auch gar nicht lange, bis die ersten Veloferien geplant wurden. Es sollte nach Belgien gehen. Dem Land in dem die Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich oder die Flandernrundfahrt jährlich tausende Menschen an die Pflastersteinstrassen locken, welche in ausgefallenen Kostümen und mit unterschiedlichsten Lärm produzierenden Gegenständen die Cancellaras der Gegenwart anfeuern. Damit wir auch nur annähernd die Chance hatten, die Hügel und den Gegenwind zu bewältigen, machten wir keine Velotour im Sinne von mit dem Velo nach Belgien fahren, sondern wollten mit wenig Gepäck kürzere Tagesetappen vor Ort unternehmen. Also buchten wir neben den Zugbilleten für uns auch noch zwei Tickets für unsere Velos.
Wer mit dem Velo ins Ausland will, muss wie so häufig im Bahnverkehr einiges beachten. Einerseits sind die Vertriebssysteme auch hier in jedem Land Europas komplett unterschiedlich, andererseits besteht, anders als in der Schweiz, die Frage, ob vernünftige Verbindungen mit Velomitnahmemöglichkeit bestehen. Diese Frage kann man bei einer Reise nach Belgien am besten mit "naja" beantworten. Wir wollten nach Lüttich in Ostbelgien. Die schnellste Route über Frankfurt und Köln fiel wegen der nicht vorhandenen Veloplätzen im ICE Köln-Lüttich weg. Gleiches Problem besteht auch bei Reisen über Paris mit dem TGV. So wählten wir den geographisch kürzeren Weg «Durch die Mitte», sprich über Luxembourg.
Was einst die Hauptroute für Züge Schweiz-Belgien war, auf welcher mit dem TEE Iris einer der luxuriösesten Züge überhaupt hin und her pendelte und die gehobene Klasse in zeitlosen Fauteuils oder in einem echten Speisewagen durch die Ardennen mehr als nur beförderte, ist im Verlaufe der Zeit zu einer Nebenline degradiert worden. Seitdem im Jahr 2015 auch die direkten Eurocity Basel-Brüssel auf dieser Strecke eingestellt wurden, heisst es für Reisende auf dieser Verbindung an jedem Ort, den man vielleicht vom Hörensagen kennt: Umsteigen. Und das meist vom einen Regionalzug in den Nächsten.
Die Fahrt über Basel, Strasbourg, Metz & Luxembourg nach Lüttich dauerte so doch ganze 9 Stunden und insbesondere während den 2.5h im letzten Zug, dem Intercity Luxembourg-Lüttich welcher keine einzige Annehmlichkeit eines Schweizer Intercitys mit sich brachte, sehnte ich mich bei jedem Halt in einem belgischen Provinzbahnhof mit Schotterperron umso mehr nach dem architektonischen Meisterwerk Namens Liège-Guillemins, dem Lütticher Hauptbahnhof welchen wir immerhin pünktlich zum Znacht erreichten.
Auch im weiteren Verlauf der Reise durften wir uns durch die Vielfalt von belgischen Regionalzügen hindurchtesten, da die Hochgeschwindigkeitszüge zumeist keine Veloplätze im Angebot hatten. Die nicht vorhandene Klimaanlage in einigen dieser Züge wurde wenigstens durch ein offenes Fenster kompensiert. Immerhin soll auch erwähnt werden, dass man die Velos auf allen belgischen Regionalzügen bequem verladen kann, ein Velobillet nur 4€ kostet und das Schienennetz recht dicht ist, sodass man alle Ziele die man sonst nur auf dem Fernsehen kennt, auch erreichen kann, ohne vorher eine ganze Velorennetappe absolvieren zu müssen.
Die Rückreise traten wir dann aus den Niederlanden an. Für diese Strecke ermöglicht der wieder eingeführte Nachtzug Amsterdam-Zürich, welcher in den altbekannten SBB-Wagen viele Veloplätze mitführt, das optimale Angebot für "Fietser". Während unsere Velos in den Grossraumwagen an ihrem reservierten Platz übernachten durften, konnten wir es uns im Liegewagenabteil gemütlich machen, wenn auch hier mangels Klimaanlage am offenen Fenster.
Velo + Zug ist leider auf internationalen Strecken doch nicht so einfach zu kombinieren wie gewünscht. Häufig muss man sich bei seiner Velotour auf Kompromisse einlassen, welche die Reise verlängert oder verteuert. Mit den TranZBags, den Velotaschen für den ÖV wäre eine Reise zwar auch möglich gewesen, das hätte aber sehr häufig bedeutet, dass man sein Vorderrad hätte abmontieren müssen und dann auch ein zusätzliches Gepäckstück anstelle eines Fahrzeuges für die letzte Meile dabei gehabt hätte.
Dennoch werde ich in Zukunft bei Reisen ins Ausland kurz die Option der Velomitnahme prüfen und dem Göppel auch gerne ein Platz hinzubuchen, da es bei Städteferien in Ländern mit schlauer Verkehrsplanung nichts angenehmeres gibt, als die Quartiere auf dem Veloweg zu erkunden, wo man doch etwas mehr von der Stadt mitbekommt, als in der U-Bahn.
sull'autore
Marius Portmann
Ist schon von Sizilien bis an den Polarkreis mit dem Zug gereist. Speisewagen mit frischer Küche oder Schlafwagen mit offenem Fenster sind ihm viel lieber, als möglichst schnell von A nach B zu kommen.
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