Eine Reise in die Vergangenheit, mit einem Zug, dessen Namen in der Zukunft eine ganz andere Bedeutung haben wird.

Als Corona nichts weiter war als ein Nachtzug

Auf Empfehlung meines Göttis entscheiden wir uns im Zwischenjahr für Rumänien als Reiseziel für einen Monat Freiheit auf Europas Gleisen. Dort sei vieles noch wie früher, auch das Zugfahren. Das war neben der Vielzahl an Naturspektakel und schönen Städte auch ein Grund , weshalb wir uns in das Land am Schwarzen Meer aufmachten, welches seit 2008 auch stolzes Mitglied der EU ist.

Wir trafen meinen Götti am Tag vor dem Beginn des Rumänienabenteuers in Budapest. Er auf der Heimreise und voller Tipps für unsere Ferien. Und so waren wir sehr gespannt, was uns erwarten würde, als wir an einem warmen Sommerabend, aus dem mit westlichen Touristen gefüllten Ungarn ins unbekannte Rumänien aufbrachen.

Dabei fuhren wir mit dem Intercity, welcher den damals unscheinbaren Namen Corona trug. Dies hatte nichts mit einer Vorahnung auf irgendwelche Pandemien zu tun, sondern ist bloss einer der vielen ehemaligen Name der Endstation Brasov. Der Zug mit den ehrwürdigen Abteilwagen und einem Speisewagen brachte uns ein eines der wohl vielfältigsten Ländern Europas.

Auch wenn Rumäniens Bahninfrastruktur nicht immer zeitgemäss ist: Charme hat sie auf jeden Fall

Es wird wohl noch einige Reiseberichte über die Begegnungen in Rumäniens Städten von mir geben. Doch auch die Verkehrsmittel verdienen einen eigenen Textbeitrag auf unsere Seite. Denn so vielfältig die Städte, Kulturen, Völker und Regionen Rumäniens sind, genauso vielfältig sind auch die Verkehrsmittel und natürlich auch die Eisenbahnen.

Weit weg vom Halbstundentakt

Wer in einen Zug in Rumänien steigen will, der schaut im Kursbuch – der Zugbibel - in welcher alle Verbindungen von den Internationalen und modernen Schnellzügen bis zum kleinsten Regionalzügen aufgeführt sind – wann dass ihn ein Zug ans Ziel bringen soll. Das ist gar nicht allzu häufig der Fall. Zwar gibt es ein sehr engmaschiges Schienennetz, doch meist fahren nur ein paar wenige Personenzüge pro Tag und nicht selten sind mehrstündige Pausen, in denen gar nichts fährt.

Würde SimpleTrain einen rumänischen Regionalzug als Werbefläche benutzen, müsste man nichtmal die Grundfarbe neu übermalen

Anders als in der Schweiz, wo an jedem Bahnhof der Anschlusszug auf dem Gleis gegenüber wartet, sind deswegen auch mehrstündige Umsteigezeiten keine Seltenheit. Immerhin fiel der rund zweistündige Aufenthalt auf unserer Fahrt von Cluj-Napoca ins abgelegene (aber dennoch wunderschöne) Sovata auf die Mittagszeit. Jedoch beschränkte sich in der Kleinstadt Blaj (einem Ort, in welchem wir wohl zu den ersten Touristen gehörten) das kulinarische Angebot auf einen Imbiss. Immerhin stiegen wir gesättigt in den nächsten Regionalzug, welcher mehrheitlich mit geöffneten Türen unterwegs war.

Dass man über schlechte Umsteigeverbindungen in Rumänien nicht motzen sollte, merkten wir erst am nächsten Tag. Mit dem Minibus, dessen Verbindungen auch online abrufbar waren, ging es wieder mit einem Umstieg an einer unscheinbaren Kreuzung weiter in den Geburtsort von Graf Dracula, dem malerischen Sighisoara. Zumindest theoretisch, denn hätten wir uns nicht irgendwann für autostöpplen entschieden, würden wir noch heute auf unseren Anschlussbus warten.

Das sind ja gute Voraussetzungen

Nachdem ich rund 20 Minuten vergeblich versuchte, ein Auto durch meinen ausgestreckten Daumen zum Anhalten zu bringen, gelang meiner Reisebegleitung dieses Kunststück bereits beim ersten Auto. Ein junger Rumäne erzählte uns auf der flotten Fahrt einerseits von der verbreiteten Armut in Rumänien, gleichzeitig auch von der Freiheit und der Tatsache, dass man hier betrunken fahren kann und es niemanden wirklich interessiere.

Trotz der doch unsicheren Werbung für die Sicherheit auf Rumäniens Strassen wollten wir auch auf der kommenden Fahrt von Sighisoara nach Sibiu per Autostopp die Kilometer abspulen. Nicht dass ich der Eisenbahn die Treue abgeschworen hätte, doch der Fahrplan sah den ersten Zug zwischen diesen Städten erst um die Mittagszeit vor. Genau diesen Zug mussten wir mangels Stöppel-Erfolges dann auch nehmen.

Gruselromantik in der Dracula-Stadt Sighisoara

Von Sibiu aus entschieden wir uns, mit einem Mietvelo das Leben auf rumänischen Strassen selbst zu erleben. Nicht nur wegen der Angst vor einem Unfall infolge abgelenkten oder besoffenen Automobilist*innen, sondern auch unter Anbetracht der zahlreichen streunenden Hunden und der Tatsache, dass ich eigentlich gar nicht gerne Velo fahre (zumindest dazumals) war ich sehr froh, als wir uns für nach der Velotour für die Weiterfahrt nach Brasov endlich wieder für den Schnellzug entschieden haben. Anders entschied sich jedoch irgendwer bei der rumänischen Bahn, der den letzten Zug des Tages ohne uns mitgeteilten Grund ausfallen liess. Immerhin fuhr vom benachbarten Busbahnhof gerade noch ein Bus nach Brasov.

Die Velotour war ein mässiger Erfolg

Übernacht stimmt der Service dafür umso mehr

Nicht nur wegen den Umwegen verbrachten wir auf unserer Rundfahrt durch Rumänien von Budapest über Transsilvanien, Bukarest, dem Donaudelta, der Schwarzmeerküste und dem Banat nach Belgrad vor allem auf der Reise in Richtung Osten unzählige Stunden in den Zügen.

Froh waren wir vor allem, dass wir dabei die Absenz eines Speisewagens verkraften konnten, dass die Klimaanlagen in allen Zügen immer funktionierte und insbesondere, dass wir den Ausstieg auch dann gefunden haben, wenn der Zug etwas verspätet war und wir uns ohne Durchsagen oder Anzeigen im Zug einzig auf die Schilder am Bahnhof orientieren konnten.

Der Hauptplatz von Brasov, fotografiert von der Seilbahn, die auf den Hausberg führt.

Für die Rückreise von Ost nach West wählten wir den doch um einiges zeiteffizienteren Nachtzug, mit welchem wir im Schlaf den Grossteil der Strecke zurücklegen konnten. Überraschend war dabei, dass es anders als in Mitteleuropa sogar im Liegewagen richtige Decken gab und der Zug für einmal piekfein geputzt war. Besonders zu jener Zeit, als bei uns Nachtzüge eher auf dem Abstellgleis landeten machten die rumänischen Züge einen positiveren Eindruck als jene in Westeuropa.

Als wir die Grenze nach Serbien im heute geschlossenen Grenzübergang Stamora Moravița passierten verliess uns der Charme der rumänischen Züge deutlich schneller, als die Loks auf den alten Gleisen meist unterwegs waren. Auch wenn ich in der Schweiz den Halbstundentakt und die Fahrt mit über 100 km/h im Intercity nicht mit den rumänischen Verhältnissen tauschen möchte, verpasste der Charme der Züge auf der Reise durch Rumänien eine ganz spezielle Atmosphäre