Ich hatte mir einst vorgenommen, innerhalb Europas nur noch mit dem Zug zu reisen – Kurzstrecken mit dem Flugzeug kann und will ich nicht länger unterstützen. Doch was mache ich, wenn die Destination auf einer Insel liegt, die nicht mit dem Zug erreichbar ist, zum Beispiel Dublin? Ganz einfach, ich plane einen Tag länger ein und nehme die Fähre.

Seit ich weiss, dass es eine Fähre gibt, die vom europäischen Festland nach Irland fährt, schwirrte in meinem Kopf die Idee herum, dies einmal auszuprobieren. Den Anlass dazu lieferte dann die Einladung zu einer Hochzeit in Dublin: Ich sagte zu, fragte SimpleTrain nach möglichen Verbindungen an und überzeugte meine Schwester, das Abenteuer mit mir in Angriff zu nehmen. Wir waren uns bewusst, dass wir länger unterwegs sein und mehr bezahlen würden, als wenn wir die Strecke mit dem Flugzeug zurücklegten, aber für die Aussicht auf eine neue Erfahrung, etwas Abenteuer und viel Zeit zum Lesen nahmen wir dies gerne in Kauf. 

Die Anfahrt 

In Basel startete unsere Reise. Wir waren am Tag zuvor angereist und hatten in einem Hotel in Bahnhofsnähe übernachtet, damit wir den frühen 6:51-Zug in Richtung Strassburg erwischten. Ausgerüstet mit Kafi, Gipfeli und einem Interrail-Pass für Frankreich tuckerten wir zusammen mit müden Pendlern nach Strassburg, wo wir auf den TGV in Richtung Paris umstiegen. 

In Paris mussten wir uns beeilen: Der TGV war mit Verspätung angekommen, und so blieben uns fürs Umsteigen von Paris-Est nach Paris-St-Lazare nur noch knappe 30 Minuten. Die Pariser Metro war für uns zum Glück keine Unbekannte, und so kamen wir ziemlich zügig an unsere Tickets und vom einen zum anderen Bahnhof. Etwas ausser Atem, aber pünktlich erreichten wir das Gleis, von wo uns ein weiterer Regionalzug in die Normandie brachte. 

Die Überfahrt 

In Cherbourg deckten wir uns im Carrefour mit Snacks ein und machten uns dann auf den Weg zum Fährenterminal. Das war leichter gesagt als getan, denn der Weg dahin ist in erster Linie auf Autos ausgerichtet – Gehwege und Beschriftungen gab es keine, wir waren etwas verloren und hofften einfach, dass Google Maps uns an den richtigen Ort lotste. Beim Terminal checkten wir ein, wurden durch die Grenzkontrolle in einen Shuttlebus gescheucht und mit fünf anderen Fusspassagieren direkt in den Bauch der Fähre W.B. Yeats verfrachtet. Alles wirkte etwas behelfsmässig und unkoordiniert, der Prozess war klar auf Automobilistinnen und Lastwagenfahrer statt auf Backpackerinnen ausgerichtet. 

Wir bezogen unsere Zweierkabine mit Dusche und Aussenfenster und fühlten uns wie in einem Hotel. An Entertainment fehlte es auch nicht: Auf der Fähre gab es ein Kino, das «Bridget Jones» und danach «Captain America» ausstrahlte, ein Café, eine Brasserie mit Selbstbedienung, eine Bar, in der sanfte Pianomusik lief, einen Spielplatz für Kinder und ein paar Spielautomaten. Auf dem Panoramadeck konnte man gemäss Broschüre einen «erholsamen Spaziergang» machen, und auf den Etagen darunter gab es genügend bequeme Sessel, um in Ruhe zu lesen, Spiele zu spielen oder aufs Meer hinauszuschauen. Genau das taten wir dann auch: Während wir mit rund 40 Kilometer pro Stunde dem Horizont entgegen schipperten, lasen wir in unseren Büchern, battelten uns beim Ligretto, holten uns einen Cappuccino aus dem Café Lafayette und beobachteten das Meer so lange, bis wir Delfine entdeckten.  

Die Nacht an Bord war überraschend erholsam, wir schliefen fast zehn Stunden durch. Das Schiff war ruhig, das sanfte Schaukeln angenehm. Frühstück holten wir in der Brasserie; die Preise sind beachtlich, die Portionen aber auch. Für die verbleibenden paar Stunden bis zur Ankunft in Dublin setzten wir uns wieder in den Loungebereich, steckten unsere Nase in die Lektüre oder drückten sie an die Fensterscheibe, um die grüne Insel aus der Ferne zu betrachten. 

Die Ankunft 

Nach knapp neunzehn Stunden kamen wir im Hafen von Dublin an, direkt gegenüber den beiden bekannten rot-weiss-gestreiften Türmen. In richtiger Backpacker-Manier legten wir die rund vier Kilometer vom Fährenterminal zu unserer Unterkunft zu Fuss zurück – es hätte zwar einen Bus gegeben, aber den hatten wir knapp verpasst. Der Weg durch das Hafenareal und die Containertürme war im Gegensatz zu Cherbourg immerhin gut beschrieben. Die lange und langsame Anreise hatte uns nicht müde gemacht, sondern unsere Vorfreude auf zwei Tage in der Stadt der Pubs und des Guinness nur noch angestachelt. 

Das Fazit 

Schon vor der Reise war uns klar, dass Dublin und die Hochzeit Nebensachen waren und dass der Weg das eigentliche Ziel war. Trotz langer Anreise nach Cherbourg, teils stressigem Umsteigen und mühsamen Wegen von und zu den Terminals sind wir uns einig, dass kaum etwas so entschleunigend ist wie eine Reise auf dem Land- und Wasserweg: Man gibt sich der Reise hin, erlebt die Distanz zwischen dem Zuhause und der Zieldestination und hat alle Zeit der Welt, sich auf den neuen Ort zu freuen oder auf dem Rückweg die Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Die Reise ohne Flugzeug nach Irland ist nicht nur absolut machbar, sondern auch definitiv lohnenswert – weil man stundenlang lesen, Delfine beobachten und sich noch länger auf das Reiseziel freuen kann.