Ein Erfahrungsbericht über die Fahrt mit dem Autozug von Wien nach Feldkirch

Würde man meine Freunde fragen worin sie meine grösste Passion sehen, würden viele vermutlich sagen: «Autos». Bereits als kleiner Junge war ich viel mehr an Hotwheels-Spielzeugautos als Brio-Holzeisenbahnen interessiert. Auch die vielen Stunden welche ich mit meinem Vater in der Garage verbracht habe, werden wohl dazu beigetragen haben, dass ich bereits vor meinem 18. Geburtstag mein erstes Auto akquirierte.

Genau dieses Fahrzeug, ein Volvo aus den späten Neunzigern, war mein treuer Begleiter während den letzten fünf Jahren und ist un aber leider wirklich am Ende seiner Lebenszeit angelangt (sobald der Ölverbrauch in Litern/1000km angegeben werden kann, ist definitiv etwas nicht mehr in Ordnung). Da mir das schwerfällige Stück Eisen aber doch sehr ans Herz gewachsen ist, entschied ich mich eine Abschiedsreise zu unternehmen, von der Schweiz aus zurück in die «Heimat» Schweden, ans Nordkap und über die baltischen Staaten zurück bis nach Wien, wo die letzte Teilstrecke mit dem Autozug bis an die Schweizer Grenze bei Feldkirch zurückgelegt wurde.

Wien ist definitiv einen Besuch wert, am besten aber ganz ohne Auto

Nach rund dreissig Tagen, einem Reifenschaden und zig Schlaflosen Nächten aufgrund der Mitternachtssonne im hohen Norden, erreichten wir die letzte Grossstadt der Reise: Wien. Ein tolles «Herrengulasch» mit Knödeln wurde zur Belohnung nach der mühsamen Suche nach einem günstigen sowie nahgelegenen Parkhaus in der Stadt genüsslich verspeist. Nächstes Mal lasse ich mein Auto definitiv zuhause!


Am nächsten Morgen früh aufgewacht, genossen wir einen vollen Tag als typische Touristen in der Grossstadt, zumal der Nachtzug Wien erst um 22:45 verlässt. Die klassischen Sehenswürdigkeiten wie das Schloss Schönbrunn, die Praterbahn oder die Spanische Hofreitschule gehörten selbstverständlich zum Programm, wobei meiner Meinung nach in Wien fast jedes Gebäude einen speziellen Charm besitzt. Zu Fuss und mit der U-Bahn waren alle Attraktionen sehr gut erreichbar und ich war froh, dass ich mein Auto in der Tiefgarage abstellen konnte. Nach einem gemütlichen Abendessen in einer Wiener «Stuben» holten wir früh den Volvo aus der Garage und machten uns auf den Weg zum Verladebahnhof.

«Das brauchen Sie ma nicht sagn, wir hatten scho Skiboxen die im Tunnl von den Autos gflogen sin»

Grundsätzlich wird vorgeschlagen, dass man rund 1h vor Abfahrt am Verladebahnhof eintrifft, um die rechtzeitige Verladung aller Fahrzeuge sicherzustellen. Wie bei einer Fähre, reihen sich die Fahrzeuge zuerst vor dem Check-in auf und werden nach der Ticket- und Ausweiskontrolle in verschieden Spuren, je nach Höhe und Fahrzeugklasse, aufgeteilt. Zusätzlich wird das Gewicht der beiden Achsen gewogen um später die Last optimal auf den Wagen verteilen zu können. Diese Übung setzt ein gewisses Fahrgeschick voraus, mit viel Präzision muss man auf die dünne Waage hochfahren sozusagen als würde man auf einem «Speedbump» anhalten wollen.

Bereits bei der Buchung müssen die Höhe und Breite des Fahrzeugs angegeben werden, um sicherzustellen, dass die maximalen Werte von 205 bzw. 195 cm nicht überschritten werden, ansonsten wird’s in den Tunnels eng. Unser Fahrzeug wurde zudem aufgrund des Dachaufbaus vom Personal genauer unter die Lupe genommen. Ganz stolz erzählte ich dem Kontrollierenden, dass mein Eigenbau bereits 8700 Kilometer ohne Probleme zurückgelegt hätte. Da meinte dieser nur: «Das brauchen Sie ma nicht sagn, wir hatten scho Skiboxen die im Tunnl von den Autos gflogen sin, wir fahrn streckenwaise mit üba 200 km/h durchs Land». Glücklicherweise war der Herr aber dennoch mit meiner Befestigung zufrieden und schickte mich in die Wartespur für die hohe Autos über 1.50m.

Da hatten wir Zeit unsere Mitreisenden zu begutachten. Vielfältig waren die anderen Personen: Von Rentnerinnen die die Stadt angeschaut hatten, über Familien welche ihre Verwandten in Kroatien besuchen waren bis hin zu einer Gruppe Personen, welche nach Budapest gereist war um mehrere Rassenhunde zu kaufen. Die Letzteren berieten sich während dem Warten eifrig, wie sie denn die Tiere am besten über den Zoll schmuggeln können um den Importkosten zu entgehen. Über die vielen Motorräder war ich zuerst überrascht, jedoch wurde mir schnell klar, dass für sie hunderte Kilometer auf der Autobahn zurücklegen doch deutlich unangenehmer sein muss als im Auto.

Plötzlich ging alles sehr schnell

Als der Zeitpunkt zum Verladen der Fahrzeuge anstand, ging dann plötzlich alles sehr schnell. Wir fuhren wenige hundert Meter der Kolonne nach bis wir eine steile Rampe erreichten. An diesem Punkt mussten alle Insassen (abgesehen vom Fahrer) aussteigen und sich zu Fuss auf den Bahnsteig begeben. Wir Fahrzeugführer mussten dann selber unsere Fahrzeuge auf die Bahnwagons hochfahren und einer gefühlt sehr schmalen holprigen Einbahnstrasse nachfahren bis uns zwei weitere Mitarbeitende der ÖBB dazu aufforderten anzuhalten, damit sie die Fahrzeuge befestigen konnten.

Dies wurde sehr effizient erledigt und in wenigen Minuten hatten sie die rund 40 Autos und Motorräder befestigt. Auf einer beweglichen Treppe, so wie man sie vom Flughafen kennt, gings dann vom Wagon herunter auf den Bahnsteig, zurück zu unseren Freunden und Familien. Der hinterste Wagen bzw. den, den wir als erstes von den Fahrzeugen her erreichten, war dann bereits der zugewiesene Schlafwagen der Automobilisten. Wir mussten sozusagen also lediglich ein paar wenige Meter von unserem Sofa zum Bett gehen, eine sehr bequeme Art eine Reise anzufangen.

«Ich wette ich habe Morgen ein besseres Frühstück als du»

An Bord des Schlafwagens angekommen, begrüsste uns der Nachtzug-Steward herzlich und zeigte uns zu unserem Abteil und erklärte uns alle Funktionen. Zwei frisch bezogene Betten mit sanften Duvets, ein eigenes kleines Lavabo sowie eine Willkommenstasche mit Zahnbürste, Finken und Badetuch gehören zur Grundausrüstung im ÖBB Schlafwagen. Zudem wurde uns je ein Talon mit verschiedenen Frühstücksoptionen überreicht.

Von rund dreissig ankreuzbaren Elementen dürfen sechs kostenlos ausgewählt werden, ein perfekter Zeitpunkt für einen Mini-Wettkampf für das Erstellen des besten Frühstücks. Wir beide waren felsenfest davon überzeugt, das bessere Frühstück zusammengestellt zu haben. Am nächsten Morgen nach einer ruhigen unauffälligen Nacht mussten wir uns mit einem Unentschieden zufriedengeben, wir hatten tatsächlich das exakt gleiche Frühstück bestellt. Die warmen Brötchen, das «Müesli» und der Orangensaft waren adäquat und definitiv eine Bereicherung gegenüber dem Frühstück der Italiener auf einem Nachtzug nach Sizilien, was damals aus einem semi-zerdrückten Schokoladengipfeli und lauwarmen Café bestand.

Auf die Minute pünktlich trafen wir dann in Feldkirch ab Endbahnhof des Autoreisezugteils ein. Das Entladen funktionierte anlog zum Verlad und war wieder sehr angenehm schnell abgewickelt. Rein aus ökonomischer Sicht scheint sich die Reise bereits gelohnt zu haben. Wenn man mit einer moderaten Nutzungsgebühr von 75 Rp./km rechnet, zahlen sich die 360 Euro Ticketpreis für Fahrzeug und Schlafwagenabteil auf die Strecke Wien-Feldkirch (630km) definitiv aus.

Aber auch aus psychologsicher Sicht war die Reise mit dem Autozug ein Erfolg, ich war am Morgen ausgeruht und dankbar, dass ich die mühsamen Autobahnabschnitte um Innsbruck vermeiden konnte. Ohnehin nahm ich das Reisen als sehr entspannt war und eine Hotelnacht haben wir so auch gespart. Als sogenannter «Petrolhead» liebe ich das Autofahren selbstverständlich sehr, doch gerade auf längeren Abschnitten wie dieser, scheint mir diese Alternative doch noch Sinn zu ergeben. Nach Hamburg weiss ich aber noch nicht, ob ich vielleicht dann doch lieber die Deutsche Autobahn nehme ;)