Im öffentlichen Verkehr nach Bosnien und Kroatien? Was beinahe unmöglich tönt, habe ich diesen Sommer unternommen. Mit Hilfe von viel Flexibilität und einem Klappvelo.

Mit dem Camper ein neues Land zu erkunden, zählt zu den Reisen, die ich sehr schätze. Die Freiheit, Spontanität und oftmals ungeahnt schöne Natur zu entdecken, begeistert mich immer wieder. Je nach Destination gibt es da aber einen Wehrmutstropfen: Die Anfahrt. Tagelang über Autobahnen ans Ziel, das absolute Gegenteil von Ferien. Da ich mit meinem Camper nicht auf die wenigen noch existierenden Autoreisezüge passe, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, um das Verhältnis Autobahn zu Erlebnis zu verbessern.

Schon das zweite Mal liess ich also diesen Sommer jemand anders mit dem Camper vorausfahren und Ferien geniessen, um selbst später mit dem Zug die Destination zu erreichen. Das Ziel war Bosnien und da ich den, aufgrund der schönen Strecke, bekannten Zug von Sarajevo an die Kroatische Küste fahren wollte, wurde als Treffpunkt ein Ort zwischen Ploče und Dubrovnik vereinbart. Von dort bin ich schnell wieder in Bosnien und für das Reiseduo welches die Rückreise in die Schweiz antreten muss, besteht die Möglichkeit von Dubrovnik mit der Fähre Italien und somit eine zuverlässige Zugverbindung in die Schweiz zu erreichen.

Grenzübergänge ohne Anschluss

Diejenigen unter den Lesenden, die sich schonmal mit Zugreisen in den Balkanstaaten auseinandergesetzt haben, werden sich (zurecht) fragen wie ich mit dem Zug durch Bosnien fahren will – da fährt doch so gut wie nichts? In der Tat gibt es einige Lücken, beginnend dabei, dass – abgesehen von einem klitzekleinen Stück an der Küste - kein Zug über die Grenze nach Bosnien fährt. Auch der sonst so weise «Man in Seat61» konsterniert, dass die früheren Direktzüge Zagreb – Sarajevo und später noch Banja Luka – Sarajevo, spätestens seit der Covid-19 Pandemie komplett eingestellt wurden. Einige eigene Recherchen zeigten aber, dass die Regionalzüge jeweils fahren, an den Grenzen jedoch Lücken bestehen. Die Mission schien also machbar und da die Verfügbarkeit eines Taxis in den sehr ländlichen Gebieten eher fraglich erschien, machte ich mich mit Rucksack und Klappvelo mit dem Nachtzug auf Richtung Zagreb.

Nach einigen baustellenbedingten Umleitungen (via St. Margarethen statt Sargans und Graz statt Ljubljana) und dem obligaten «Päckli-Zmorge», erreichte ich kurz vor Mittag die Kroatische Hauptstadt. Ein kurzer Einkauf, ein Glacé in der Innenstadt und schon ging es mit dem modernen Regionalzug weiter Richtung Bosnische Grenze. Ich genoss noch einmal die Vorzüge der modernen Eisenbahn wie eine Klimaanlage, Steckdosen, um das Handy zu laden und die Möglichkeit das Ticket bargeldlos auf den Handy zu kaufen.

Eine Zeitreise im wahrsten Sinne des Wortes

In Hrvatska Kostajnica hiess es aussteigen. Dies ist zwar nicht die Endstation, aber in Volinja (wo der Zug endet) besteht nur ein Grenzübergang für Züge und da deren keine verkehren, gilt es die Grenze einige km früher zu überqueren. Der Grenzübertritt mit Rad läuft problemlos und die Strecke ist mir gut gesonnen, es geht mehrheitlich bergab. Nach einem kurzen Stopp am Bancomaten, um Bosnische Mark zu besorgen, geht es weiter. Auf dem Weg sieht man die Brücke, wo der Zug eigentlich nur weiterfahren müsste – Schienen und Oberleitung sind in bestem Zustand.

Nach einer 14 km langen Velofahrt erreiche ich den Bahnhof in Dobrljin. Viele Gleise, ein Bahnhofshäuschen – aber ob hier wirklich ein Zug fährt? Nun ja, auf der kroatischen Seite sieht es ähnlich ausgestorben aus und dort fährt er auch. Als dann ein Mitarbeiter mit Overall mir mit Händen und Füssen erklärt, dass um 18:42 der Zug nach Banja Luka kommt, bin ich beruhigt. An der Tankstelle besorge ich mir noch etwas mehr zu trinken für die Wartezeit und widme mich für die nächsten 2h Wartezeit einem Krimi. Gegen 18h kommen weitere Personen am Bahnhof an, einer zieht sich um und siehe da der Bahnhof hat nun einen Bahnhofsvorstand. Zwei weitere Männer in Overalls entpuppen sich als Rangierer und um kurz nach 18 Uhr trifft dann der «Zug» ein, eine Lokomotive mit einem Wagen.

Mit vereinten Kräften rangieren die Fünf Mitarbeiter (auf dem Zug befanden sich noch ein Schaffner und der Lokomotivführer) die Lok auf die andere Seite des Wagens und der Zug ist wieder abfahrbereit. Neben mir und meinem Klappvelo gesellt sich noch ein weiterer Fahrgast dazu. Die Fahrt nach Banja Luka fühlt sich an wie eine Zeitreise, unverschweisste Schienen und ein alter Abteilwagen, bei dem statt einer Klimaanlage die Fenster mit PET-Flaschen offengehalten werden, um zumindest etwas Fahrtwind reinzulassen. Beim Anblick des WC’s haben die Reinigungskräfte die Zeitreise wohl nicht mitgemacht. An den weiteren Stationen füllt sich der Wagen allmählich und nach dem Passieren etlicher von Hand bedienter Bahnübergänge erreichen wir gegen 21:30 wir Banja Luka, wo ich müde in einem Motel am Bahnhof einchecke.

Das nächste Zwischenziel ist Sarajevo, das Problem ist aber: Auch hier gibt es keine durchgehende Zugverbindung, da die Eisenbahngesellschaften der beiden Teile Bosniens (Repuplika Srpska und Föderation Bosnien & Herzegowina) keine gemeinsamen Passagierzüge anbieten.

Ein Land, das zweigeteilt erscheint

Von Banja Luka käme man mit der Bahn der Repuplika Srpska theoretisch bis Doboj. Auch hier ist die Lücke überschaubar (23 km), ab Maglaj, der ersten Station in der Föderation fährt jedoch nur ein einziger Zug frühmorgens. Also entscheide ich mich für einen Bus nach Sarajevo. Erstaunt stelle ich fest, dass ich das Ticket online buchen kann und tue dies auch – inkl. Auswahl des Sitzes. Dass noch alle Sitze frei sind, erstaunt mich etwas, ich denke aber nicht weiter darüber nach (Spoiler: Hätte ich besser). Nach Bezahlung des Tickets teilt man mir mit, die Buchung sei bestätigt. Ein Ticket erhalte ich jedoch weder im Webshop noch per E-Mail.

Am nächsten Tag versuche ich mein Glück an der Busstation und erkläre das Problem. Die Sprachbarriere und das Desinteresse der Schalterangestellten helfen nicht dabei. Als ich den Bus nach Sarajevo sehe, gehe ich zum Fahrer an den Zaun und versuche ihm das Problem zu schildern. Glücklicherweise steht auf meiner Kreditkartenabrechnung und auf seinem Bus der gleiche Firmenname. Er nimmt mich also mit. Um zum Bus zu kommen, muss ich jedoch noch einen Eintritt für das Perron bezahlen – vor lauter Stress (und noch ohne Gefühl für die Bosnische Währung) merke ich erst später, dass ich statt 1.50 BAM (-.75 CHF) 15 BAM (7.50 CHF) dafür bezahlt habe. Ich sass also (in aller letzter Sekunde) im richtigen Bus nach Sarajevo. Im Bus gab es dann natürlich keine Sitzplatznummerierung. Als ich das Onlineportal aus Interesse nochmals öffnete, war unterdessen ein Sitz belegt: Der den ich am Vorabend selbst gebucht hatte. Der Bus war aber gut gefüllt.

Auch auf der Busfahrt wird die innerbosnische Grenze spürbar. Bis Doboj hält der Bus in jedem Dorf, sobald wir jedoch im Gebiet der Föderation sind, wird auf der Autobahn durchgefahren, bis nach Ost-Sarajevo, welches wieder Teil der Repuplika Srpska ist (und interessanterweise im Süd-Westen der Stadt liegt…). Die 7 km ins Stadtzentrum kann ich glücklicherweise mit dem Klappvelo überbrücken. Auch mein Stadtführer bestätigt mir, dass die Haltepolitik des Busses kein Zufall war und noch «einige Bosnische Kaffees» getrunken werden müssen, bis sich daran etwas ändert.

Nach einer Nacht im wohl dreckigsten, lautesten und hellsten Hostel Sarajevos begebe ich mich frühmorgens zum Bahnhof (auch hier bewährt sich das Klappvelo hervorragend).

Ticketkauf vor Ort bewährt sich

Ein Versuch das Ticket am Vortag zu kaufen scheiterte, da der richtige Block am Schalter nicht auffindbar war. Ich begebe mich also direkt zum Gleis, vorbei an der Schlange vor dem Ticketschalter, wo alle mit einer Online-Reservierung sich diese von Hand auf ein Ticket übertragen lassen mussten. Dank meinem Klappvelo führte mich der Schaffner in die erste Klasse, wo genügend Platz war, um dieses zu verstauen. Von zwei netten Damen, die aus dem UK auf Verwandschaftsbesuch waren, erfuhr ich, dass die 1./2.-Klass Tickets abgeschafft wurden, um mehr Sitzplätze anbieten zu können. Jedoch wissen das die wenigsten Reisenden und die 1. Klasse sei immer leer. Es folgten 3 Stunden malerische Landschaft in einem bequemen, klimatisierten Talgo-Zug. An der Grenze zu Kroatien kam plötzlich etwas Hektik in der 1. Klasse auf in Form von zwei gestikulierenden jungen Herren, die die Toilette aufsuchten. Zurück kam jedoch nur einer. Der zweite hatte offensichtlich starke Magenprobleme – er blieb auf der Toilette sitzen, bis wir die EU-Grenze passiert hatten… Die Grenzbeamten respektieren offensichtlich die Privatsphäre der Toilette sehr stark, denn sie öffneten keine der Toilettentüren, um eine Kontrolle vorzunehmen.

Nach Ankunft in Ploče galt es den nächsten Flixbus zum Camping in Orašac nahe Dubrovnik abzuwarten und nach über 3 Tagen Abenteuer erreichte ich am Nachmittag endlich meinen Camper und somit das Ende meiner ÖV-Reise auf dem Balkan. Das Fazit zur Zugreise durch Bosnien: Es gibt zwar Online-Buchungen (vermutlich um einem moderne Verkehrsinfrastruktur vorzugaukeln) – mit Bargeld und einem Papierticket ist man aber oft deutlich besser bedient. Und zusätzlich zu den Zügen vor Ort einen eigenen Radsatz in Form eines Velos mitzunehmen, erweist sich als klaren Vorteil!